Ich wünsche mir Blau. Nur ein bisschen … Teil 5 – Der erste falsche Wunsch

Die Sonne stand hoch über dem lachenden Garten, als Moritz sich zum Rand des Platzes zurückzog. Dort, wo die Blumen noch nicht ganz blühten und die Witze auf den Fähnchen ein wenig verblasst waren, setzte er sich auf einen flachen Stein.

Er hatte den anderen nichts gesagt. Doch etwas nagte an ihm. Es war ein leiser Neid, den er sich kaum eingestehen wollte. Mila schien führend, Maike voller Ideen. Und er? War er nur der Mitgeher? Der Beobachter?

Er war müde vom Lächeln. Und während das Glück ringsum wuchs, keimte in ihm ein Wunsch, der nicht aus Licht kam.

Ich wünsche mir, dass alle mal sehen, wie wichtig ich bin. Dass ich der Einzige bin, der den Garten retten kann.

Er schnippte.

Zunächst geschah nichts. Dann spürte er eine Erschütterung. Der Boden vibrierte. Der Himmel über dem Garten verdunkelte sich für einen Moment. Die Lacher der Blumen verstummten. Die Musik der Vögel brach ab.

Aus der Mitte des Gartens erhob sich eine Gestalt. Sie war riesig, geformt aus Schatten, aber mit einem Gesicht, das Moritz erschreckend vertraut war: es war sein eigenes, nur älter, kälter, leerer.

„Ich bin das, was du wolltest,“ sagte die Gestalt mit verzerrter Stimme. „Die Welt sieht dich jetzt. Aber nicht so, wie du dachtest.“

Maike und Mila rannten herbei. „Moritz! Was hast du getan?“

Moritz wich zurück. „Ich… ich wollte doch nur… Ich wollte helfen!“

Der Schatten-Moritz warf lange Fäden aus Dunkelheit über die Bäume. Die Witze verwelkten. Die Farben verblassten. Die Menschen begannen, sich zu streiten. Kinder weinten.

Mila trat vor. „Das ist nicht dein wahres Ich. Moritz, erinnere dich! An den echten Wunsch in dir!“

Moritz sackte auf die Knie. „Ich wollte, dass mich jemand sieht. Dass ich wichtig bin.“

Funkel erschien auf seinem Kopf. „Wahrheit ist ein Anfang. Jetzt: wandle deinen Wunsch.“

Moritz atmete tief. Tränen standen ihm in den Augen. „Ich wünsche mir, dass alle erkennen, wie wichtig wir füreinander sind. Dass wir nur zusammen stark sind.“

Er schnippte erneut. Die Schattengestalt schrie auf. Sie zerfiel in silbernen Nebel, der sich in Licht auflöste. Die Farben kehrten zurück. Die Witze lachten wieder. Die Menschen begannen, einander in die Arme zu nehmen.

Moritz stand langsam auf. Mila nahm seine Hand.

„Du bist wichtig. Immer gewesen. Wir alle.“

Maike nickte. „Und Fehler sind Teil des Lernens.“

Funkel saß nun auf Moritz‘ Schulter. „Dies war der erste Schatten. Nicht der letzte. Aber ihr habt gelernt: Wünsche sind wie Samen. Es zählt, was in ihnen keimt.“

In der Mitte des Gartens wuchs ein neuer Baum. Er war kleiner als der Bonbonbaum, doch seine Blätter schimmerten wie Versprechen. Aus seinen Zweigen hingen kleine Spiegel. Und wer hineinsah, sah nicht nur sich selbst, sondern auch, wer man für andere war.

Die Menschen kamen und blickten hinein. Viele begannen zu lächeln. Manche weinten. Andere umarmten einander.

Moritz trat vor den Spiegelbaum.

Er sah sich. Und darin: Mila. Maike. Die lachenden Kinder. Der Schatten. Und sich selbst — in der Mitte.

Er lächelte.

„Vielleicht,“ sagte er leise, „war dieser Wunsch doch nicht ganz falsch. Nur anders, als gedacht.“

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