von Vincent Vélano
Am Morgen danach war der Himmel klar. Das Grau war verschwunden, als hätte es sich über Nacht aufgelöst. Der Bonbonbaum war ruhig, aber lebendig, seine Zweige bewegten sich leicht im Wind, als würden sie tanzen.
Mila, Moritz und Maike hatten kaum geschlafen. Zu vieles hatte sich verändert. Der Baum. Das Türchen. Funkel. Und nicht zuletzt: sie selbst.

„Heute,“ sagte Maike, während sie ein Stück Schokoladenbrot kaute, das aus einem der Bonbons gefallen war, „machen wir etwas für alle. Nicht nur für uns.“
Moritz nickte. „Etwas, das andere zum Lächeln bringt.“
Mila dachte kurz nach. „Was haltet ihr von einem Garten? Einem, in dem man lächeln muss. Einem Garten, der die Welt daran erinnert, wie es ist, sich zu freuen.“
Maike klatschte begeistert in die Hände. „Ein lachender Garten!“
Sie stellten sich nebeneinander. Mila trat einen Schritt vor. Sie schloss die Augen, atmete tief durch. Ich wünsche mir einen Ort, an dem alle lachen können. Einen Garten, der Glück sät.
Mit einem sanften Schnippen öffnete sie ihre Augen.
Es war, als würde die Erde selbst leise auflachen. Aus dem Boden wuchsen plötzlich Blumen, die sich dehnten wie aus dem Schlaf. Sie hatten Gesichter – lachende, freundliche Gesichter, die bei jeder Brise kicherten.
Die Bäume, die entstanden, trugen keine normalen Blätter, sondern kleine Papierfähnchen mit Witzen, Rätseln und lieben Botschaften darauf. Die Vögel, die zwischen den Zweigen auftauchten, zwitscherten Melodien, die direkt ins Herz gingen.
Der Boden war bedeckt mit weichem Moos, das beim Betreten wie ein freundliches Glucksen klang. Schmetterlinge flogen in der Luft, ihre Flügel hinterließen Spuren wie mit Kreide gemalte Lachen.
Am Rand standen drei hölzern geschnitzte Bänke, und jede erzählte eine Geschichte, sobald man sich setzte. Die Geschichten begannen immer gleich: „Weißt du noch, als du das erste Mal gelacht hast…?“
Moritz setzte sich auf eine Bank. Sofort begann sie zu erzählen. Von einem kleinen Jungen, der einmal auf einem Trampolin in einen Haufen Seifenblasen gefallen war. Moritz begann zu lachen, erst leise, dann laut.
„Das war ich!“ rief er.
Maike saß unter einem Baum, der sie mit Konfetti aus Blütenblättern bedeckte. Mila streichelte das Moos, das wie ein pfeifender Kater schnurrte.
Menschen begannen, den Platz zu betreten. Erst zögernd, dann neugieriger. Kinder rannten los, Eltern folgten. Es dauerte keine zehn Minuten, bis das erste Lachen aufbrandete.
Eine alte Frau setzte sich zu Maike. „Ich dachte, ich hätte das Lachen verloren,“ sagte sie. „Aber dieses Moos kitzelt mich.“
Ein kleines Kind kletterte auf den Baum mit den Papierwitzen. „Warum kann ein Schneemann keinen Sommerurlaub machen?“ las es laut. „Weil er dabei zu Wasser wird!“
Alle lachten.
Die Luft war voller Freude, aber auch voller Staunen. Niemand fragte, woher der Garten kam. Es schien, als hätte er immer schon darauf gewartet, entdeckt zu werden.
Mila beobachtete die Menschen. „Sie glauben, es war schon immer so.“
Moritz nickte. „Weil es sich richtig anfühlt.“
Maike aber runzelte die Stirn. „Aber seht mal da hinten.“
Am Rand des Gartens, wo die Farben noch nicht ganz angekommen waren, bewegte sich etwas. Ein Schatten, flach, flackernd. Wie ein vergessenes Echo. Er war klein, kaum größer als ein Teddybär, aber seine Augen glänzten kalt.
„Ein Schattenwunsch?“ flüsterte Mila.
„Vielleicht wurde jemand traurig, als er den Garten sah,“ sagte Moritz leise. „Manchmal tut Glück weh, wenn man sich ausgeschlossen fühlt.“
Funkel erschien plötzlich auf einem Ast. „Ihr habt gut beobachtet. Jeder Wunsch, der Licht bringt, zieht auch Schatten an.“
Maike trat vor. „Aber wir können doch nicht aufhören, Glück zu wünschen.“
„Nein,“ sagte Funkel. „Aber ihr könnt lernen, es zu teilen.“
Sie gingen auf das Wesen zu. Es zuckte zurück, fauchte leise.
„Vielleicht… braucht es eine Geschichte,“ schlug Mila vor.
Moritz setzte sich in den Schatten. „Weißt du, was ich mal gemacht habe? Ich habe geweint, weil ich dachte, niemand versteht mich. Aber dann hat jemand mir einen Witz erzählt. Einen, den ich erst gar nicht lustig fand. Und dann… musste ich lächeln. Und das Lächeln war wie ein Fenster.“
Das Schattenwesen flackerte. Die Augen wurden weicher. Es setzte sich langsam hin.
Maike reichte ihm ein Fähnchen vom Baum: „Hier, dein erster Witz. Vielleicht magst du ihn ja.“
Das Wesen sah das Papier an. Dann entwich ihm ein merkwürdiges Grunzen. Ein Lachen?
Funkel lächelte. „Nicht alle Schatten wollen fressen. Manche wollen nur gehört werden.“
Der Garten lachte weiter. Und die Kinder wussten: Es war erst der Anfang.